Die Rolle der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) / der Ukrainischen Aufständischen Armee im Zweiten Weltkrieg

Kai Struve

Vielen Dank für die Einladung. Ich habe als Ausgangspunk für meinen Beitrag die Frage genommen, die auch in einer Ankündigung für diese Veranstaltungsreihe genannt ist: warum die Identifizierung von Ukrainern im Zweiten Weltkrieg in Kollaboration mit den Deutschen so ein einflussreiches Bild hat und auch dann 2013, 2014 und 2015 relativ erfolgreich von der russischen Propaganda und der Desinformationskampagne genutzt werden konnte.

Ein beträchtlicher Teil der sowjetischen Soldaten waren die Ukrainer. Obwohl die Ukraine im Unterschied zu Russland insgesamt zeitweise von deutschen Truppen besetzt war und unter dem deutschen Okupationsregime gelitten hat. Eben ein großer Teil der Zwangsarbeit, die ins Deutschen Reich gebraucht wurde, wurden Ukrainer.

Wenn man diese Frage beantworten will, gibt es zwei Zugänge oder zwei Ansätze, die man dabei verfolgen kann.

Da die OUN, oder die Bandera-Gruppe im Zentrum dieser russischen Propaganda steht, ist eben der eine Zugang, der man ansieht: wie war die Situation während zweites Weltkrieges: die Zusammenarbeit mit den Deutschen oder die Involvierung für die Verbrechen.

Das ist eine Anders, der Zweite ist die Erinnerungsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese Bilder, die vielleicht aus 2014-2015 einflussreich waren und zum Teil noch einflussreich sind, kann man nicht nur gleich durch die Weltkriegsgeschichte erklären, sondern man brauchte dazu auch die Erinnerungsgeschichte in der Zeit des Kalten Krieges.

Ich fange jetzt mit dem ersten Teil an und wenn wir noch Zeit haben, haben wir auch zu dem zweiten Teil der Erinnerungsgeschichte etwas zu sagen.

Die OUN und die Deutsche bis zum Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941

  • Zusammenarbeit der UVO mit der Reichswehr bereits in den 1920er Jahren

  • Fortsetzung nach Gründung der OUT bis Ende 1933

  • Erneute Intensivierung der Zusammenarbeit 1938 / Karpathen-Ukraine

  • Vorbereitung des Angriffs auf Polen im September 1939

  • Erwartung und Motiv der OUN: ukrainische Staatsgründung; wird in beiden Fällen von deutscher Seite zugunsten anderer Partner (Ungarn, Sowjetunion) enttäuscht.

Ergänzung: Es gibt diese Zusammenarbeit schon in 20-er- und in 30-er Jahren und wird dann gleich nach dem Machtübernahm Hitlers Ende 1939 zeitweise unterbrochen. Die Reichswehr, bzw. die Abwehr, die Nachrichtendienst der Wehrmacht nimmt dann diese Zusammenarbeit wieder 1938 in der Vorbereitungen mit dem Ziel der Destabilisierung und schließlich Auflösung der Tschechoslowakei auf. Die OUN spielen wieder eine Rolle in der Vorbereitung des Angriffs aus Polen im September 1939. Das Motiv der Zusammenarbeit ist die Staatsgründung. Was aber wiederum enttäusch wird und von deutscher Seite nicht realisiert wird, weil es Partner gibt, die aus der deutschen Ansicht wichtiger sind.

Der deutsch-sowjetische Krieg, die deutsche Okkupation und die OUN

  • Spaltung der OUN während des Jahres 1940

  • Unterstützung des deutschen Angriffs am 22. Juni 1941 mit dem Ziel der ukrainischen Staatsgründung

  • Erklärung der Gründung eines ukrainischen Staates durch Jaroslav Stecko am 30. Juni 1941 in Lemberg

  • Ender der Zusammenarbeit zwischen Bandera-OUN und der deutschen während der folgenden Wochen

  • Zusammenarbeit mit Melnyk-OUN besteht fort, endet im Reichskommisariat Ukraine Anfang 1941

  • Beginn des aktiven Kampfes gegen die deutschen nach Gründung UPA im Frühjahr 1943

Ergänzung: Das waren die wesentlichen Punkten und auf den Hinblick auf die Zeit wiederhole ich jetzt das nicht noch mal. Ich denke, was eben wichtig ist, ist nochmal zu betonen, dass einerseits die Unterstützung des deutschen Angriffs 1941 gab, aber anderseits gerade die Zusammenarbeit mit der Bandera-Gruppe dann relativ schnell in den folgenden Wochen beendet wurde.

Der Grund ist wiederum nicht Realisierbarkeit des Ziels der ukrainischen Staatsgründung. Im Juli 1941 wurde entschieden, dass es nicht so etwas wie ukrainische Selbständigkeit unter der deutschen Vorherrschaft geben wird, sondern eine direkte deutsche Herrschaft in der Ukraine durch den Reichskommisariat der Ukraine. 

Verbrechen der Bandera-OUN und UPA

  1. Verbrechen an Juden:

  • Sommer 1941:

  • „Abrechnungen“ durch lokale Milizen mit Personen, die als Unterstützer der Sowjets gesehen werden; vorwiegend Juden

  • Beteiligung der Milizen an pogromartigen Ausschreibungen in verschiedenen Orten im Zusammenhang mit der Bergung von Leichen ermordeter Gefängnisinsassen, u.a. Lemberg

  • Milizen unterstützen deutsche Massenerschließung von Juden durch Festnahmen, Bewachung

  • Ukrainische Hilfspolizei/ Schutzmannschaften ab August/September 1941:

  • Meist Hilfsfunktionen bei deutschen Massenerschießungen, Ghetto-Bewachung u.a. keine OUN-Strukturen; OUN versucht hier aber Einfluss zu bewahren

  • Morde von UPA-Einheiten an Juden 1943/44 in Wolhynien und Galizien

  • teilweise im Zusammenhang mit Massakern an der polnischen Bevölkerung, teilweise angesichts des Vorrückens der sowjetischen Armee und sowjetischer Partisanen

Ergänzung: Im Grunde kann man die Bandera-OUN zum ersten und zum dritten Punkt eindeutig zurechnen. Diese Milizen, die sich im Sommer 1941 gebildet haben, werden dann im August und September von den deutschen nach und nach aufgelöst und neue Polizeistrukturen, eben die ukrainische Hilfspolizei und die Schutzmannschaften gebildet. Das Ziel dieser Umstrukturierung ist eben auch den Einfluss der Bandera-OUN auf die Polizeistrukturen zu beseitigen. 

Gleichzeitig versucht die OUN ihren Einfluss in diesen Polizeieinheiten zu halten. Sie versuchen ihre Leute zu behalten und den Einfluss dort zu bewahren. In diesen Hilfspolizeieinheiten, die eben auch eine wichtige Hilfsfunktion bei den deutschen Verbrechen in den besetzten Gebieten spielen, gab es relativ viele Leute, die OUN gehörten. Das Problem ist auch, dass wir nicht viele Versuche der OUN finden, die Beteiligung an den damals stattgefundenen Verbrechen einzustellen.

  1. Massaker an der politischen Bevölkerung durch UPA-Einheiten in Wolhynien und Galizien 1943/44

Ergänzung: Das Geschehene in Wolhynien und Galizien 1943/44 ist eine komplizierte und auch umstrittene Frage, d.h. Prof. Patryliyak kann ein bisschen mehr sagen, als ich dazu sagen kann. 

  1. Verbrechen an Ukrainern

Ergänzung: Und es gibt auch UPA-Verbrechen gegen Ukrainer, die in der Forschung bisher größtenteils ignoriert wurden. Ich habe in der ersten Linie die Verbrechen gegen Juden genannt, aber es gibt immer noch eine ganze Reihe von Ukrainer, die dort getötet wurden, weil sie im Verdacht stehen oder tatsächlich mit den Sowjets zusammengearbeitet haben. 

  • Beträchtliche Verbrechen, jedoch nach dem Sommer 1941 keine Zusammenarbeit mit dem deutschen Okkupationsregime mehr, sondern Verfolgung und Verhaftung von OUN-Mitgliedern und zeitweise militärischer Widerstand

  • Motiv der zeitweisen Zusammenarbeit nicht Ideologie, sondern das Ziel der Staatsgründung

Ergänzung: Ohne Zweifel gehört die OUN in dieser Phase zu einer radikalen national-sozialistischen, manche sagen auch faschistische Strömung. OUN war ein Teil einer national-sozialistischen Strömung, die in zahlreichen europäischen Länder in dieser Zwischenkriegszeit gab.

Erinnerungsgeschichte

Die Darstellung der OUN in: 

  • Sowjetunion:

- OUN als radikalste Gruppe des „ukrainischen bourgeoisen Nationalismus“

- Keine klare Unterscheidung zwischen verschiedenen antisowjetischen ukrainischen Akteuren und Vermischung mit Mitarbeiter in einheimischer Verwaltung und Polizei

- Darstellung insbesondere der OUN als brutale deutsche Henkersknechte, Bruch zwischen OUN und Deutschen in der zweiten Jahreshälfte 1941 wird verschwiegen

- Feinde des sowjetischen und ukrainischen Volks; Polen und Juden als Opfer weitgehend verschwiegen.

Ergänzung: Die OUN wird hier als eine faschistische verbrecherische Organisation dargestellt, aber die Polen und Juden die eigentlich die Hauptgruppe von Opfern waren, erscheinen eigentlich in der sowjetischen Darstellungen fast nicht.

  • Akt des Widerstands gegen die sowjetische Herrschaft, insbesondere in der Westukraine, eine positive Erinnerung an OUN und UPA zu bewahren

  • Ukrainische Diaspora:

  • Vorherrschend: Akteure der OUN (Lebed‘, Stec’ko u.a) zeichnen ein Bild der OUN als antitotalitärer Bewegung

Ergänzung: Der Vorstand der OUN in der Nachkriegszeit zeichnen auch das Bild der OUN als eine antitotalitäre Bewegung, also antisowjetische als auch die antinational-sozialistische Strömung in der Ukraine. Und es ist auch nicht Überraschung, dass die Beteiligung an den Verbrechen dann dort geleugnet wurden. 

  • Weitere Öffentlichkeit in westlichen Ländern:

  • Militanter Antikommunismus eines großen Teils der Diaspora

  • Wachsende Bedeutung der Holocaust-Erinnerung

Ergänzung: Erstmal muss man festhalten, dass das Interesse darin insgesamt gering war. Die Wahrnehmung in der weiteren westlichen Öffentlichkeit hängt sehr stark von den Konjunkturen und von der Entwicklung des Kalten Kriegs ab. Und ist eben auch mit der wachsenden Bedeutung der Holocaust-Erinnerung verbindet.


Iwan Patryliak

Die Aufgabe des Historikers besteht darin, nicht nur Fakten und Details zu ermitteln, sondern auch die Motivation bestimmter Handlungen zu erklären. Daher ist das erste, woran wir uns immer erinnern sollten, dass der ukrainische Nationalismus und die OUN das Ergebnis des gescheiterten ukrainischen Unabhängigkeitskampfs von 1917-18 waren. Wie jede Reaktion auf das Scheitern war diese Reaktion radikal. Die zweite Sache, an die man sich erinnern sollte, war, dass es das Ziel der OUN war, Unabhängigkeit um jeden Preis zu erlangen. Die dritte Sache ist, dass ER seine Tätigkeit im Zweiten Weltkrieg nicht begann und sie nach Kriegsende nicht beendete, chronologisch war es eine viel umfangreichere Periode.

Daher sollten alle Handlungen der OUN während des Zweiten Weltkriegs damit erklärt werden, dass sie eine bestimmte Reaktion auf den gescheiterten Unabhängigkeitskampf in früheren Jahren und ein bestimmter Weg zum Ziel waren, einen unabhängigen Staat zu erhalten. Die Führer der OUN sahen eine Annäherung an jede Bewegung oder jeden Staat als gerechtfertigt an, solange diese sie ihrem Ziel, die Unabhängigkeit zu erreichen, näher brachte. Und wenn sie es nicht gesehen haben, haben sie sich gestritten. Diese Logik des Handelns der OUN während des 2. Weltkriegs war mit der Entstehung des Staates verbunden.

Wenn wir die ukrainisch-polnischen Beziehungen dieser Zeit beobachten, sehen wir sowohl die gegenseitige Vernichtung als auch die Zusammenarbeit. Wenn wir die Beziehungen zwischen der OUN und Deutschland betrachten, kann man Momente der Annäherung und der Konflikte sehen. Sogar OUN und UdSSR hatten sowohl Momente der Verhandlungen als auch Momente des Kampfes. Das bedeutet, dass die OUN gegen diese drei Hauptgegner nicht nach Kriterien der Nationalität kämpfte, sondern weil sie der Schaffung der unabhängigen Ukraine im Wege standen. OUN und Ukrainische Aufstandsarmee waren keine Akteure auf der Weltbühne, sondern sie waren die Bewegung und die Ideologie, die der Ukraine auf regionaler Ebene einen dritten Weg anboten, jenseits des neuen Nazi-Europa und der sowjetischen Weltrevolution. Es ist offensichtlich, dass diese Alternative namens "unabhängige Ukraine" in Konflikt mit lokalen Projekten in Polen, Rumänien, Ungarn, der UdSSR und anderen geriet, die die Einbeziehung der Territorien der Ukraine in ihre Staaten vorsahen.

Während der Vorkriegszeit, der Kriegs- und der Nachkriegszeit rechnete die OUN nur mit eigenen Kräften. Es ist offensichtlich, dass die Führer der OUN verstanden haben, dass ihre eigenen Kräfte nicht ausreichen würden. Und aus diesem Verständnis entsteht das Interesse an den europäischen Ländern, die Verbündete der OUN sein könnten. Deutschland war der mächtigste Militärstaat in Europa, der den Vertrag von Versailles revidieren wollte. Weshalb es nicht um die „Verzauberung“ der OUN von Deutschland gehen sollte, sondern um dessen praktische Betrachtung als Verbündeter. Und als sich diese praktische Betrachtung als nutzlos erwiesen, ging die OUN (unter der Führung von S. Bandera) sofort zum Konflikt über. Dieser Konflikt begann nicht erst 1943, als das UPA den Kampf im Rücken begann, sondern bereits im Dezember 1941, als die deutsche Polizei die OUN bereits als eine Gruppe beleuchtete, die sich Deutschland widersetzte. Und seit März 1942 wurde in den Berichten der Gestapo und der SD aus dem besetzten Territorium der UdSSR die Rubrik "ukrainische Widerstandsbewegung" eingeführt. Dies lässt erkennen, dass der Kampf früher als 1943 begann.

Man sollte sich auch auf zwei Hauptaspekte konzentrieren: Die Ereignisse im Sommer 1941 und die ukrainisch-polnische Problematik. Vor dem Angriff Deutschlands auf die UdSSR herrschte in der OUN die Überzeugung vor, dass Deutschland natürlich am Zusammenbruch der UdSSR interessiert war. Daher gab es keinen anderen Ausweg, außer den Ukrainischen Staat anzuerkennen. Es gab jedoch auch die gewisse Enttäuschung, weil die Berliner Regierung keine Erlaubnis dafür gab. Die Verkündung des Akts der Wiederherstellung des ukrainischen Staates am 30. Juni sollte die Situation erklären. So geschah es, und die OUN orientierte sich in der neuen Situation schnell. 

Was darf man an den Sommer 1941 nicht vergessen? Die OUN war eine Struktur, die ungefähr 20.000 Menschen zählte. Als die OUN-Mitglieder im Juli 1941 einen antisowjetischen Aufstand probten und ihre Unabhängigkeit erklärten, schnellte die Mitgliederzahl dieser nationalistischen Bewegung in die Höhe. Zehntausende Menschen haben sich aus der Situation heraus der OUN angeschlossen. Denn offensichtlich wollten die Menschen Zugang zur Macht bekommen. Deshalb sollte man sich daran erinnern, dass solche Abteilungen wie die ukrainische Miliz und die ukrainische Regierung nicht ausschließlich aus Mitgliedern der OUN bestanden haben. Die OUN versuchte, die Kontrolle über sie zu behalten, aber das war nicht immer möglich. Wir haben Beweise dafür, dass sich Menschen polnischer Abstammung der Miliz angeschlossen haben. Es war ein Gebiet, in dem die Menschen sehr oft ihre Identität änderten, abhängig von den Ereignissen. Ähnliche Dinge passierten in den 1940er Jahren. Deshalb war die OUN an der Gesamtheit kriminellen Handlungen, die von der ukrainischen Miliz ausgeführt wurden, nur teilweise beteiligt.

Als im September 1941 die Hilfsmiliz gegründet wurde, versuchte Deutschland, den Einfluss der OUN auf sie loszuwerden. Aber die OUN hat versucht, die Leute in den Reihen der Miliz zu behalten. Und offensichtlich nicht mit dem Ziel, den Holocaust zu verwirklichen. Die OUN sahen die Polizei als Instrument zur Machtübernahme nach der Niederlage Deutschlands an der Front. Die OUN verfolgte ihr Ziel trotz allem, was um sie herum geschah. Und das Ziel war ein unabhängiger Staat. Und die Notwendigkeit, kriminelle Arbeit zu tun, lenkte sie nicht von diesem Zweck ab. Jeder, der als Feind der Idee der Unabhängigkeit der Ukraine angesehen wurde, konnte sofort getötet werden. Manchmal töteten sie Ukrainer und beschuldigten sie der Zusammenarbeit mit Feinden wie Polen, Deutschland und der UdSSR. Normalerweise wurden diese Hinrichtungen von den Bewohnern der Dörfer genehmigt, in denen Opfer zu beklagen waren. Ich werde meine Geschichte erzählen. Es geschah in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Ich habe als kleiner Junge mit einer älteren Frau gesprochen. Das hat mein Großvater gesehen und mich dafür sehr geschimpft. Er erklärte, dass niemand im Dorf mit ihr redet, weil ihr Mann 1949 von den Partisanen der UPA getötet wurde, weil er, als er Vorsitzender des Dorfrats war, unsere Leute nach Sibirien geschickt hat. Seit mehr als 30 Jahren wird sie von ihren Mitbewohnern im Dorf völlig boykottiert. Es zeigt, wer Opfer der UPA unter Ukrainern sein konnte.

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Ich möchte auch ein paar Worte über Wolyn sagen. Massenhafte Ermordungen der polnischen Bevölkerung begannen im Sommer 1943. Das war das Ergebnis dessen, was im Frühjahr 1943 geschehen war, als im März und April die Ukrainische Aufstandsarmee entstanden ist. Die Deutschen nannten diese Bewegung den „Widerstand“, und in allen Dokumenten der Ukrainischen Aufstandsarmee stand, dass an den Strafaktionen gegen sie gemeinsam mit den Deutschen polnischen Truppen oder einige Polen teilgenommen hatten. Sie dienten als Milizsoldaten, als Dolmetscher oder als Leiter der deutschen Bataillone in ukrainischen Dörfern. Im Mai 1943 appellierte die UPA an die Polen, die Zusammenarbeit mit Deutschland und der UdSSR zu beenden. Die Logik war einfach: „Wenn Sie mit unseren Feinden zusammenarbeiten, werden wir Sie töten.“ Für die ukrainischen Bauern spielte es keine Rolle, für wen der Pole arbeitete, ob für Deutschland oder die UdSSR. Wenn Polen die Deutschen in ein ukrainisches Dorf brachten und sie verbrannten, griff die UPA das polnische Dorf an, denn die Deutschen konnten nicht erreicht werden. Das Problem war, dass die Ukrainer dachten, dass alle Polen Kollaboranten seien, und die Polen dachten dasselbe über die Ukrainer. Das Entsetzen darüber möchte ich aus den folgenden Sätzen sprechen lassen: Mein Vater stammte aus dem polnisch-ukrainischen Grenzland bei Sianok. Er erzählte, dass er mit Berichten über wechselseitige Massaker in Dörfern zwischen Ukrainern und Polen aufwuchs. Und als er 6 Jahre alt war, fragte er seine Mutter, ob die Menschen erstochen werden, wenn sie schlafen, und dass man dann besser nicht schlafen sollte. Sein Kindheitstrauma war es, im Schlaf erstochen zu werden. Das war die Geschichte.


Frage 1.:  Die Frage betreffend freiwillige Gruppierungen in der Miliz. Man kann ganz deutlich sehen, dass alle diese bewaffneten Formierungen selbständig aus geheimen OUN-Strukturen entstanden sind. 

Die, die aus den UdSSR-Strukturen hervorgegangen sind, hatten das Ziel, unabhängige Strukturen zu schaffen.

In der Westukraine war die OUN von Bandera eine zentrale Kraft. Im gesamten Gebiet gab es Untergrundstrukturen. Von hier aus wurden lokale Milizsoldaten rekrutiert. Sie gaben den Anstoß zur Schaffung einer lokalen Verwaltung. Die Zentralregierung war nicht in den Händen der OUN, aber bezüglich der Miliz denke ich, dass es Strukturen des Untergrunds waren. Diese Milizsoldaten sind für die gleichen Morde verantwortlich, und zwar, weil sie die Zusammenarbeit mit der UdSSR in der Vergangenheit rächen wollten. Das gilt nicht nur für Juden, sondern auch für Polen und Ukrainer. Dies wurde durch den folgenden Grundsatz begründet: Wenn einer Jude ist, dann ist er sicher ein Anhänger der UdSSR. Dies spielte im Vergleich zur deutschen Verwaltung eine große Rolle. Es ist richtig, dass sie bemerkt haben, dass das Hauptziel die Bildung eines eigenen Staates war. Allgemeine Menschenrechte wurden abgelehnt, was ein Zeichen für radikalen Nationalismus ist. Dies kann nicht als Beispiel für eine demokratische Weltanschauung dienen.

Antwort 1.: Wir können die Standards des 21. Jahrhunderts nicht auf das anwenden, was in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts geschah. Wenn man die Ideologie Polens annimmt, die  diesen Ereignissen zugrunde lag, kann man auch sehen, dass demokratische Standards nicht eingehalten wurden.

Zweifellos gehörte die Initiative zur Schaffung der Polizei und der Verwaltung der OUN HIER FEHLT EIN TEIL DES SATZES. Ich rede davon, dass sie, als die OUN die Kontrolle über eine Stadt oder ein Dorf übernahm, dort ein Hauptquartier errichteten, in dem sie Freiwillige rekrutierten, als militarisierte Einheiten. Aber unter diesen Ehrenamtlichen gab es sehr unterschiedliche Gesichter. Ein Beispiel dafür ist, dass im modernen Krieg in den Jahren 2014-15, als Freiwillige rekrutiert wurden, kriminelle Elemente in die Reihen der Dobrobats eindringen wollten. Wir wissen von einem hochkarätigen Fall der Tornado-Gruppe, deren Mitglieder jetzt verhaftet werden. Militärische Ereignisse bringen immer kriminelle Elemente an die Oberfläche.

Die OUN verwendete in ihrer Propaganda das Vokabular des “jüdischen Bolschewismus". Das war ein etablierter Irrtum seit 1918, den die Weißgardisten während des russischen Bürgerkriegs erfanden. Dieses Stereotyp war im Osten Europas sehr nachhaltig. Die Hauptmorde an Juden fanden statt, als sich die deutsche Armee näherte, und nicht, als die Polizei von OUN-Mitgliedern kontrolliert wurde. Denn gerade die Propaganda habe die Bevölkerung immer zu Rache und Pogromen motiviert.

Überall war die Ideologie unterschiedlich, wie etwa in Lwiw oder Krakau. Überall war der Einfluss der OUN unterschiedlich, die Ideologie war dementsprechend unterschiedlich aufgebaut. Man kann hier keine Kriminelle zuschreiben, die an die Macht gerieten. Sie gab es, aber es waren Einzelfälle.

Frage2.: Inwieweit unterschieden sich die Meinungen von Bulba Borovets und Banderites? Wie waren die Beziehungen der Ukrainischen Aufstandsarmee und Borovets mit den Deutschen? Welchen Politikern der Jahre 1917-21 standen die Kämpfer für einen unabhängigen ukrainischen Staat am nächsten? 

Antwort 2.: B. Borovets verteidigte ebenfalls die Idee der Unabhängigkeit, war eine widersprüchliche Person. Offensichtlich hatte er Beziehungen zum Zentrum der Ukrainischen Volksrepublik. Über seine Bewegung und die Aufstandsarmee gibt es nur Zeugnisse aus seinen eigenen Erinnerungen. Es scheint mir, dass die Darstellung von Borovets und seiner Kräfte etwas übertrieben ist. Es handelt sich um etwas mehr als tausend Partisanen, die im nördlichen Teil des Gebiets von Rivne und teilweise von Zhytomyr operiert und dieses teilweise kontrolliert haben. Deshalb waren Borovets und Banderites von unterschiedlicher Bedeutung.

Was Borovets‘ Beziehungen zu den Deutschen betrifft, so waren sie auch schwankend. Borovets führte im Sommer 1941 einen lokalen Aufstand im Bezirk Sarny gegen die UdSSR an. Und er übernahm die Kontrolle über Sarny. Mit der Ankunft der deutschen Zivilverwaltung organisierte Borovets zuerst seine Guerillagruppe bei der örtlichen Polizei. Nach seinen Erinnerungen hat er sich mit den Deutschen gestritten, weil er sich weigerte, an der Hinrichtung von Juden teilzunehmen. Wir können das nicht beweisen, aber Tatsache ist, dass er den deutschen Dienst trotzdem verlassen hat.

Tatsächlich war bis Ende 1942 war eine kleine Gruppe von Menschen mit ihm. Er versuchte, mit Saboteuren des sowjetischen Obersten Lukin Kontakt aufzunehmen und mit ihm Verhandlungen zu führen. Er wollte Waffen bekommen. Aber es gelang nur, sich gegenseitig die Neutralität zu versichern. Dann begann Bulba wieder mit den Deutschen zu verhandeln, um Waffen gegen UdSSR zu erhalten. Jedoch hatten die Angehörigen des SD den Verdacht, dass er sie betrügen wollte. Das alles endete damit, dass die Banderites ihn überlisteten und seine Gruppe vertrieben. Das führte ihn wieder zu den Deutschen, die ihn aber verhafteten. Noch 1945 wollte er ein Bataillon der Fallschirmjäger anführen, die in der Ukraine abgesetzt werden sollten, aber diese Aufgabe blieb unerledigt. 

Jetzt noch etwas über die ideologisch nahestehenden Persönlichkeiten der OUN der Jahre 1917-21. Die Banderites haben die Ereignisse von 1917-20 als Erfahrung der ukrainischen Staatlichkeit betrachtet, jedoch als sehr schlechte Erfahrung. Und sie hielten alle Politiker für verantwortlich für die Niederlage. Ihre Idole waren das ukrainische Militär von 1917-20. Es gab einen Kult um Kruty in der OUN und die Teilnehmer der 2. Winterwanderung, die am Basar starben. Das ist logisch, weil die Gruppe, die sich den Vereinten Nationen anschloss, ehemalige Militärs war, die auch den Politikern skeptisch gegenüberstanden.